Die Schneiders und die Landwirtschaft

Vortrag von Klaus Garcke anlässlich des 7. Schneidertages am 7.6.2003 in Hohenmölsen

Der Name Schneider weist zwar eindeutig darauf hin, welchen Beruf der Namensgeber der Familie vor vielen Jahrhunderten wohl ausübte. Aber schon seit ungefähr 500 Jahren betreibt man in der Familie Schneider Landwirtschaft, ist doch die Familie in der glücklichen Lage, den Beruf ihrer Vorfahren bis in die Zeit des Kirchenreformators Luther, mit anderen Worten bis zum Ende des Mittelalters, zurück zu verfolgen.

Der bekannteste Landwirt in der Familie ist sicherlich Christoph Schneider aus Podebuls, der Nachbar und Freund des Landwirtschaftsreformators Schubart vom Kleefeld, der in seinen Schriften der Nachwelt die Nachrichten über Christoph Schneider hinterlassen hat; Christoph bewirtschaftete das Stammgut Podebuls von 1760 bis 1800.

Kurz ein Blick auf die Lage der Landwirtschaft zur Zeit von Christoph Schneider und Schubart. Die Bauern waren bei der Nutzung ihres Grund und Bodens durch Pflichten gegenüber der Dorfgemeinschaft und gegenüber der Grundherrschaft – das war ein Rittergut oder der Landesherr – gebunden. Zu den Pflichten gehörte auch die Zahlung von Abgaben und die Leistung von Diensten an den Grundherren, meistens ein Rittergut. Diese waren – anders als es häufig und insbesondere zu DDR-Zeiten dargestellt wurde – in der hiesigen Gegend recht mäßig. Zum Teil musste der Grundherr seinerseits ein Entgelt für die Dienstleistungen zahlen. Ich weiß aus den eigenen Akten des Ritterguts Wittgendorf bei Zeitz, das unsere Familie vor ungefähr 180 Jahren erwarb: die Gegenleistung, die der Vorfahre den Wittgendorfer Zehntschnittern zahlen musste, hatte einen höheren Geldwert als die Dienstleistungen, die die Zehntschnitter mit Mähen und Dreschen zu erbringen hatten. Als diese Rechte und Pflichten um die Mitte des 19. Jahrhunderts abgelöst wurden, musste der Vorfahre den Zehntschnittern Land abtreten zum Ausgleich dafür, dass diese nunmehr nicht mehr auf dem Hofe mähen und dreschen durften.

Zum System der Grundherrschaft gehörte, dass das Rittergut wie auch die Dorfgemeinschaft gemeinsam die Äcker und Wiesen der Dorfflur beweideten. Die Dorfäcker waren in drei Abschnitte eingeteilt, auf denen jeweils Wintergetreide, Sommergetreide und Brache gehalten wurde.

Aus heutiger Sicht hatte die Dreifelderwirtschaft große Nachteile: geringe Erträge, schlecht gefüttertes Vieh, geringer Dunganfall, nicht ausreichende Düngung, geringe Erträge. Der gleiche schlimme Kreislauf kam immer wieder in Gang.

Besonders schwierig war es, das Rindvieh, die Schafe über den Winter zu bringen. Das Vieh wurde über den Winter letztlich nur am Leben gehalten. In besonderen Notzeiten fütterte man selbst das Stroh von den Dächern. Nicht selten überlebte das Vieh den Winter überhaupt nicht.

Schon bevor Schubart das Rittergut in Würchwitz kaufte, hatte sich Christoph Schneider bemüht, die Düngung auf seinen Feldern zu verbessern. Schubart berichtet über Christoph Schneider nicht nur in seiner bekanntesten Schrift, dem „Gutgemeinten Zuruf an alle Bauern, die Futtermangel leiden“. Schubart erwähnt seinen Nachbarn Schneider wiederholt auch in anderen Schriften, in der Gesamtausgabe seiner „Ökonomisch-Kameralistischen Schriften“ insgesamt vier Mal. Wie Schubart berichtet, hatte Christoph Schneider in der Zeitzer Gegend schon vor Schubart das Mergelgraben zuerst in Schwung gebracht.

Schubart schreibt weiter: Ich gewann den ehrlichen Mann so lieb, dass ich ihn zum öfteren bitten ließ, des Abends mit mir zu essen. Da redeten wir denn von der Wirtschaft und ich lernte viel von dem Manne.

Schubarts beweglicher Geist sann auf weitere Abhilfe. Wichtig erschien ihm vor allem die Vermehrung der Viehhaltung, denn mit mehr Vieh konnte man die Äcker besser düngen. Schubart hatte auf seinen Reisen in England Flächen mit angesäten Futterpflanzen gesehen und er las auch in den Schriften seiner Zeit über Klee, Luzerne und Rüben als Winterfutter für Rindvieh und Schafe. Mit Hilfe von Christoph Schneider machte Schubart seine ersten Versuche mit der Kleesaat. Mit Schneiders Hilfe beschaffte er aus der Naumburger Gegend Gips als Dünger. Die gedüngten Kleebestände wuchsen üppig.

Schubart berichtet weiter: Christoph Schneider tat mir den Futterbau nach, hielt so wenig Brache als möglich, vermehrte sein Vieh und machte vortreffliche Ernten. Christoph Schneider düngte nun auch seine eigenen Felder mit Gips. 1782, 1783 und 1784 – so berichtet Schubart – als die Dürre in der hiesigen Gegend außerordentlich war, hielt Schneider es dem Gips zugute, dass nur er in dem Felde, auf dem er vor drei Jahren Klee gehabt, den er mit Gips gedüngt, außerordentlich schönen Hafer gehabt, aber auf seinen anderen Feldern, die er noch nicht damit gedüngt hatte, so wie seine Nachbarn ihn desto elender gehabt. Nun ist er, da er in dieser Gegend und im Altenburgischen weitläufige Verwandtschaft hat, hauptsächlich auch mit Ursache, dass hier seit ein paar Jahren jährlich viel tausend Fuder Gips zum Düngen gebraucht werden.

Wie wir von Schubart wissen, setzte Christoph Schneider seine Wirtschaft in einen solchen Zustand, dass er seinen Geschwistern verschiedene tausend Taler aus dem Gute auszahlen konnte. Die Kurfürstlich-Sächsische Landes-Ökonomie-Manufaktur- und Kommerziendeputation in Dresden gab ihm 1782 zwei Prämien von 20 Reichstalern und noch dazu eine doppelte Prämienmedaille zum Ehrenzeichen.

Auch nach Christoph Schneider sind mehrere Landwirte aus der Familie besonders hervorgetreten; sie haben sich besonders als Viehzüchter einen Namen gemacht, so Hermann Schneider in Würchwitz Ende des 19. Jahrhundert und sein Sohn Conrad in Schleinitz, Hermann Schneider in Wildensee Ende des 19. Jahrhundert und Paul Schneider in Podebuls Anfang des 20. Jahrhundert. Besonders bekannt als Viehzüchter war Hans Schneider in Wildensee. Wer sich über die Landwirtschaft im Kreise Zeitz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterrichten will, findet in dem vor 70 Jahren erschienenen Buch über den Kreis Zeitz zur Pferdezucht, zur Rinderzucht und zur Schafzucht ausschließlich Fotos von Wildensee. Die musterhaften Wirtschaften der benachbarten Vettern Paul Schneider in Podebuls und Hans Schneider in Wildensee waren häufig das Ziel von Besichtigungen landwirtschaftlicher Schulen und Vereine.

Der Zweite Weltkrieg und insbesondere die Nachkriegszeit haben die Strukturen selbständiger Landwirtschaft in dieser Gegend völlig verändert. Zur Zeit gibt keinen hauptberuflich geführten landwirtschaftlichen Betrieb in der Hand von Familienmitgliedern mit dem Namen Schneider. Die Liebe und die Anhänglichkeit an die Landwirtschaft sind in der Schneiderschen Familie aber auch immer wieder bei Familienmitgliedern hervorgetreten, die selbst nicht die Landwirtschaft gelernt oder als Beruf ausgeübt hatten. Erst später haben sie den Weg zu der Beschäftigung ihrer Vorfahren wieder gefunden. Am bekanntesten ist das Beispiel von Gottfried Schneider, der als Inhaber mehrerer gewerblicher Betriebe bei Zeitz 1872 das Rittergut Knau bei Schleiz erwarb. Unter seinen Nachkommen umfasste es rd. 1000 ha.

Hermann Schneider aus der Wildenseer Linie, der das Bankwesen gelernt hatte, erwarb 1929 das Rittergut Schafpreskeln bei Gera, das er nach einigen Jahren aber wieder verkaufen musste.

Ein beliebter Weg, einen Hof selbständig bewirtschaften zu können, den die Schneiderschen Söhne in der Vergangenheit geradezu systematisch gegangen sind, war auch das Einheiraten. Die Geschichte der „Schneiders und die Landwirtschaft“ ist deshalb voraussichtlich noch längst nicht zu Ende.