Louis Garcke

Raubdrucker französischer Romane in Naumburg
Louis Garcke (1821-1868) war Buchhändler und Verleger in Merseburg, Zeitz, Weissenfels und Naumburg.

Von seinem Vater, einem Förster in Bräunrode bei Hettstedt, hatten er und sein Bruder ein ansehnliches Vermögen geerbt, das es ihm erlaubte, schon in frühen Jahren in Merseburg die dortige Nulandandtsche Buchhandlung zu erwerben. Garcke war ehrgeizig, umtriebig. Neben der Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung betrieb er ein Antiquariat, einen Verlag sowie ein Musikalien-Leihinstitut und eine Leihbibliothek. Dass er auf Qualität bedacht war, ist noch heute ersichtlich: einen seiner Antiquariatskataloge bewahrt die Königliche Bibliothek in Brüssel auf; die Staatsbibliothek in Berlin erwarb eine Ausgabe von Molieres Werken, die zu seiner Leihbibliothek gehört hatte.

Wie der häufig wechselnde Sitz seiner Unternehmungen ahnen lässt, fehlte es Garcke an Beständigkeit. In der Familie wurde er der „Buchhandlungshändler“ genannt. In Naumburg unterhielt er auch eine Druckerei und gab eine wöchentlich zwei Mal erscheinende Zeitung heraus. 1858 beendete der Konkurs den Betrieb. In einem rückblickenden Brief nennt Garcke selbst als Gründe für sein Scheitern die Revolution von 1848, Nachsicht anderen gegenüber, Überarbeitung.

Das drohende Aus schon vor Augen, griff er in Naumburg auch zu ungesetzlichen Mitteln und ließ in der Druckerei mehrere Werke französischer Schriftsteller in französischer Sprache nachdrucken.

Nach den Katalogen großer Bibliotheken in Deutschland und Frankreich, die die in Naumburg gedruckten Bücher aufbewahren, gab er die nachstehenden Werke haraus. Sie erschienen als Teile einer Schriftenreihe „La Bibliothèque choisie. Collection des meilleurs (et des plus nouveaux) romans français“. Als Verlagsort ist immer Paris, daneben Naumburg, manchmal Leipzig angegeben, wobei auch unterstellt wird, die deutschen Orte seien eine Art Außenstelle („à l‘ expédition“):

Bernard, A. de (Alphonse de Calonne; 1818-1902)
Le portrait de la marquise, Bd.1-2, 1858 (Staatsbibliothek Berlin)

Dumas, Alexandre (1802-1870) und Charles Durier (1830-1899)
Impressions de voyage en Russie von Alexandre Dumas – Aux bains de Louèche von Charles Durier, Bd. 1-6, 1858 (Bibliotheque nationale de France ; älteste dort vorhandene Ausgabe beider Werke)

Feuillet, Octave (1821-1890)
Le roman d’un jeune homme pauvre, 1858 (Staatsbibliothek Berlin ; erschien im gleichen Jahr bei Levy, Paris)

Flaubert, Gustave (1821-1880), Alexander Dumas (1824-1895) und Henri Gourdon de Genouillac (1826-1898)
Madame Bovary : moeurs de province, Bd. 1-2, 1857 (dem 2. Bd. (4. Teil) angebunden: Offland von Alexandre Dumas (S. 65-94) und L’As de trèfle von Henry Gourdon de Genouillac (S. 95-204)(Bibliotheque nationale de France)
Die Raubkopie der Madame Bovary nach dem vorher in der Zeitschrift Revue de Paris veröffentlichten Fortsetzungsroman erschien vor der in dem Pariser Verlag Levy 1857 veröffentlichten Gesamtausgabe des Romans. Die Raubkopie ist in der französischen Literatur viel besprochen worden; s. Internet: Universität Rouen, Centre Flaubert, Oeuvres, Ressource par oeuvre, Madame Bovary, Editions originales, Une edition pirate de Madame Bovary)

Gondrecourt, Aristide de (1815-1876)
La vieille fille, 1857 (Statsbibliothek Berlin)

Kock, Paul de (1791-1871), Alfred de Bréhat (1826-1866) und Emmanuel Gonzalès (1815-1887)
Le Millionnaire von Paul de Kock – Léopold de Kernys von Alfred de Bréhat (S. 81-141) – La Princesse russe von Emmanuel Gonzaleès, Bd. 1-2, 1857 (Bibliotheque nationale de France)

Molènes, Paul de (1821-1862) und Louis Énault (1824-1900)
La Rose blanche von Louis Énault – Aisha Rosa. Souvenirs des rives du Bosphore von Paul de Molènes, 1857 (Bibliotheque nationale de France)

Sand, George (1804-1876)
L’Homme de neige, Bd. 1-5, 1858 (Universitätsbibliothek Halle)

Les dames vertes, 1857 (Staatsbibliothek Berlin)
Der Roman war zuvor im Früjahr 1857 in Fortsetzungen in der französischen Zeitschrift „Le Monde Illustré“ erschienen. Die von Garcke besorgte Buchausgabe kam vor der autorisierten, 1859 bei Hachette in Paris publizierten heraus;

La Daniella, 1857 (Staatsbibliothek Berlin)

Scribe, Eugène (1791-1861)
Le filleul d’Amadis ou les amours d’une fée. Roman de chevalerie, Bd. 1-2, Leipzig 1856 (Bayerische Staatsbibliothek ; die Ausgabe erschien vor der von 1858, die in der Bibliotheque nationale de France als früheste aufbewahrt wird)

Sue, Eugéne (1804-1857)
Les secrets de l’oreiller : roman posthume, Bd. 1-6, 1858 (Universitätsbibliothek Halle, Bayerische Staatsbibliothek).

1858, unmittelbar vor dem Konkurs, reiste Garcke nach Den Haag in der – seinerzeit bereits sichtbar vergeblichen – Hoffnung, dort an Geld aus einer Erbschaft zu gelangen, über die es in der Familie Gerüchte gegeben hatte. Als auch ihm klar wurde, dass das aussichtslos war, flüchtete er vor dem geschäftlichen Zusammenbruch nach England. In dem rückblickenden, an ehemalige Buchhändler-Kollegen gerichteten Brief aus London schreibt er: musste ich in den letzten Jahren zu mancherlei Manipulation meine Zuflucht ergreifen. Sicherlich waren die Raubdrucke damit gemeint.

Der Konkurs belastete auch seinen älteren Bruder August Garcke (1819-1904), Botaniker und Pharmakognost, später Professor an der Berliner Universität (s. Neue Deutsche Biographie), denn dieser, geschäftsuntüchtig, hatte seinem Bruder Geld geliehen und für ihn Wechsel unterschrieben. Nur weil sich seine Flora von Nord- und Mittel-Deutschland gut verkaufte (später Flora von Deutschland), konnte August sich bald davon wieder erholen.

Louis Garckes Frau Emilie mit – damals – fünf Kindern folgte ihm später nach England. Einer ihrer Söhne, Emil (1856-1930), wurde dort ein bekannter Mann (s. Oxford Dictionary of National Biography).