Bekannte Persönlichkeiten aus Neu Boltenhagen

Wilhelm Dietrich von Wakenitz (1728-1805)
Wilhelm Titel (1784-1862)
August Becker (1848-1895)
Georg Blohm (1896-1982)
Wilhelm Dietrich von Wakenitz (1728-1805)

Wakenitz ist als Offizier in der Umgebung Friedrichs des Großen hervorgetreten; er ist in Bol­tenhagen geboren und war Besitzer des dortigen Gutes.

Die Familie von Wakenitz gehört zu den alten Familien Vorpommerns. Otto Wakenitz kaufte das Gut Boltenhagen 1625 von Herzog Bogislaw XIV von Pommern. Seine Nachkommen in den nächsten Generationen, auch diejenigen, die ihm als Besitzer von Boltenhagen folgten, waren in der Regel Offiziere. Ottos Urenkel, Carl Philipp (1697- 1739), war Oberstleutnant in schwedischen Diensten. Nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst bewirtschaftete er Bol­tenhagen und ein anderes ihm gehörendes Gut. Er war verheiratet mit Charlotte Louise von Örtzen aus Blümenow (Tornow) im Mecklenburgischen. Aus der Ehe gingen dreizehn Kinder hervor, sieben Töchter und sechs Söhne. Das siebente Kind, Wilhelm Dietrich, wurde am 4. 8. 1728 in Boltenhagen geboren.

Mit dreizehn Jahren wurde Wilhelm Dietrich in den Preußischen Heeresdienst aufgenommen. Noch nicht siebzehn Jahre alt nahm er an dem Zweiten Schlesischen Krieg teil und verdiente sich in der Schlacht bei Hohenfriedberg am 4. Juli 1745 den Orden Pour le Mérite.

Im Januar 1758, während des Siebenjährigen Krieges, wurde er, nachdem er sich in weiteren Schlachten ausgezeichnet hatte, als Rittmeister mit der Führung des Regiments Garde du Corps beauftragt. Er tat sich vor allem am 25. August 1758 in der Schlacht von Zorndorf (nördlich von Küstrin), einer der blutigsten des Krieges, hervor. Das von ihm geführte Re­gi­ment hatte deutlichen Anteil an den letztlich zum Siege führenden Kämpfen gegen die Rus­sen. Wakenitz zeichnete sich hier durch kaltblütige Tapferkeit aus. Der König ernannte ihn darauf­hin, ohne daß er Major gewesen war, zum Oberstleutnant. Wenig später zeigte sich der König Wakenitz gegenüber aber verstimmt. Die Gründe dafür haben sich nicht genau ermitteln lassen. Wakenitz wurde nicht zum Commandeur des Regiments Garde du Corps, sondern unter Er­nennung zum Oberst zum Commandeur eines anderen in Schwedt an der Oder gelegenen Re­giments berufen (3. März 1760). Er sah darin eine Zurücksetzung. Im Dezember 1762, noch vor dem Ende des Siebenjährigen Krieges, erhielt er auf seinen Antrag die Entlassung aus dem preußischen Dienst.

Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (1760-1785), der mit Vorliebe preußische Offiziere in seine Dienste und in seine Umgebung zog, ernannte ihn am 14. Juli 1763 zum Genaralmajor, 1772 zum Generalleutnant und am 17. August 1774 zum Minister des Departement der Finan­zen seiner Regierung „in dem gnädig­sten Ver­trauen, das er nach seiner bekannten aufrechten Haltung Unsere zum allgemeinen Be­sten abzie­lende gnädigste Intention nach Möglickeit zu be­fördern sich angelegen sein lassen werde“, wie es in dem Ernennungserlaß hieß. Wakenitz hielt das Finanzwesen in guter Ordnung. Die ab 1776 reichlich fließenden englischen Gelder (108000 Pfund jährlich) für die Überlassung von 12000 hessischen Soldaten an England zum Kampf gegen die Kolonien in dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg erleichterten dem Minister die Geschäfte. Wakenitz selbst war an der Aushandlung des Vertrages mit England, dessen Erfüllung schon seinerzeit als Soldatenhandel heftig kritisiert wurde, nicht beteiligt. Wakenitz` Verdienste um das hessische Militärwesen, insbesondere um die Kavallerie, wurden gelobt.

Friedrichs II. Nachfolger, Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel (1785-1821), legte auf die Dienste seiner aus Preußen kommenden Ratgeber keinen Wert mehr. Wakenitz` Entlas­sungs­gesuch wude im Mai 1789 genehmigt. Wakenitz blieb in Kassel wohnen. Er starb am 9. Januar 1805. Er war nicht verheiratet. Erbe von Boltenhagen und Rappenhagen war sein Neffe Christoph Leopold von Wakenitz, der Sohn von Wilhelm Dietrichs ältestem Bruder Victor Albrecht. Er ließ auf Wakenitz` Grab auf dem Militärfriedhof in Kassel als Denkmal eine helmbekrönte Säule setzen, die an die Schlacht bei Zorndorf erinnerte.

Eine Portraitzeichnung des Generals von Johann Heinrich Tischbein dem Älteren besitzen die Staatlichen Museen in Kassel.

Wakenitz´ Wahrheitsliebe, seine aufrechte Haltung wurde von seinen Zeitgenossen wiederholt in der Nachwelt überlieferten Nachrichten hervorgehoben. Ernst Moritz Arndt schrieb über ihn 1803: „Nur die tapfern scheinen auch hier (nämlich bei der Behandlung der Bauern des Dor­fes), wie in allem, die besseren zu sein. Der General von Wakenitz in Cassel hat seine Bauern zu Boltenhagen auf eine sehr billige Pacht gesetzt, ja ihnen ebenso leidlich das schöne Gut Boltenhagen selbst verpachtet.“

Unter den Namen der Männer aus der Umgebung Friedrichs des Großen, die auf dem Sockel des Denkmals des Königs „Unter den Linden“ in Berlin angegeben sind, ist auch der von Wa­kenitz aufgeführt.

Als der Militärfriedhof in Kassel 1891 aufgegeben wurde, ordnete Kaiser Wilhelm II. die Über­führung der Gebeine nach Potsdam an. Sie wurden auf dem Städtischen Friedhof in der Nähe des Kriegerdenkmals wieder beigesetzt und das Kasseler Denkmal darüber wieder aufgerichtet.

Wilhelm Titel (1784-1862)

Wilhelm Titel ist als Maler bekannt geworden; er ist in Boltenhagen geboren. Sein Vater war dort Pfarrer. Der Vater Friedrich Andreas Gotthilf Titel, 1748 in Trieglaff in Pommern als Sohn eines Pfarrers geboren, war nach dem theologischen Studium 13 Jahre Hauslehrer bei dem Grafen Bohlen in Karlsburg gewesen. 1780 erhielt er die Pfarre in Bolten­hagen. Er heiratete 1782 Christina Juliana Kellmann, die 1758 in Wolgast geborene Tochter eines schwedischen Zollinspektors.

Wilhelm Titel wurde am 16. 2. 1748 als erstes Kind geboren. Auf ihn folgten noch zwei Töch­ter (Friederica, verheiratet mit dem Pfarrer Ahlbory in Kemnitz, und Auguste, verheiratet mit dem Pfarrer Klatt in Boltenhagen).

Über seine Jugend schreibt Wilhelm Titel selbst in seiner 1851 verfaßten Schrift „Kurtzer Um­riß meines Lebens und meiner Ausbildung zum Künstler“: Mein Vater „schickte mich in mei­nem Alter von 7 Jahren nach Stettin zu einem Verwandten, in dessen Hause ich gemeinschaft­lich mit seinen Kindern, welchen ein Hofmeister gehalten wurde, den ersten wissenschaftlichen Unter­richt erhielt. Hier erwachte zuerst in mir die Neigung und ohne Anleitung, woran es mir gänz­lich fehlte, zeichnete ich Alles was mir vorkam; leider kam mir aber nichts, auch nur leidli­ches vor Augen … . Dies verschlug mir aber nichts und da meine Spielereien im Zeichnen eini­gen Anklang fanden, so entstand bei mir die Lust, selbst Künstler zu werden … . Nach einem fünf­jährigen Aufenthalt in Stettin kehrte ich im Jahre 1796 in das väterliche Haus zurück, in­dem für mich und meine indes herangewachsene Schwester ein Hofmeister verschrieben war, ein Theologe, wie dies gewöhnlich der Fall ist. Meines Vaters Wunsch war nun, ich sollte auch Theologie studieren, doch war dies nicht sein unbedingter Wille, sondern er ließ mir zugleich die Wahl unter den beiden s. g. Brotstudien. Wie erschrak er aber, als ich davon nichts wissen wollte und auf seine desfallsigen Gegenvorstellungen nicht einging und erklärte, ich wolle Ma­ler werden. … Ein Maler ist ein Mensch ohne Brot! Ein Maler ist ein Bettler! Diese Äußerun­gen musste ich täglich von ihm anhören.

Mein Vater war ein kluger Mann, der es redlich mit seinen Kindern meinte und wer hätte ihm so leicht diese einmal gefasste Ansicht ausreden können, welche freilich nicht ganz ohne Grund war! er selbst war nie aus seiner ländlichen Umgebung herausgekommen, er urtheilte nach dem was er sah und wurde darin noch von einem Grafen in der Nachbarschaft, in dessen Hause er früher Informator gewesen, ganz besonders bestärkt.

Je mehr Widerspruch ich aber fand, desto beharrlicher wurde ich; ich zeichnete, soviel Zeit ich von den Schulstudien abmüßigen konnte; ich versuchte, Portraitte nach der Natur zu zeich­nen welche man, so schlecht sie immer waren, gleichend fand und dies erhöhte meinen Muth. …

Vier Jahre verlebte ich im elterlichen Haus und es war mir unmöglich, dem Wunsche meines Vaters, eine wissenschaftliche Laufbahn zu erwählen, Folge zu leisten; er aber wollte seinerseits nicht nachgeben um mich nicht wie er sagte, ins Unglück zu stürzen. Dies hatte eine Verstimmung bei mir zur Folge, welche an Schwermut grenzte. Ich wurde wirklich im Jahr 1800 als ich 16 Jahre alt war, auf die Universität nach Greifswald geschickt; mein Vater wünschte, ich sollte mich zuvörderst in allen Wissenschaften umsehn, um dann nach Jahresfrist diejenige, welche mir am mehrsten zusagen würde, als Brodstudium zu erwählen. Dass hieraus nichts werden würde, wusste ich vorher. … Ich benutzte aber vor allem den Unterricht des damaligen akadem. Zeichnenlehrers Dr. Qui­storp, der mir als treuer Lehrer und Rathgeber an die Hand ging und als er sah, dass ich Fort­schritte bei ihm machte, nannte er mich seinen besten Schüler und fühlte sich notgedrungen, bei meinem Vater zu meinen Gunsten sich auszulassen.

„Laßen Sie ihn immer Maler werden, sprach dieser gute Mann, etwas anders wird aus ihm doch nicht. Er wird bei seinem Fleiß sein Brod schon finden. Bedenken Sie, dass die Zeit ver­geht, und wenn er noch älter geworden, so wird es schwer halten, das erst zu lernen, was er schon wissen sollte und Sie selbst würden sich es vorzuwerfen haben, ihm solange entgegen gewesen zu sein.“

Diese Vorstellung verfehlten ihre Wirkung bei meinem Vater nicht und als er mir endlich an­kündigte, dass er sich meinen Wünschen nicht mehr widersetzen wolle, wurde ich, der indes vor Kummer und Gram krank geworden, sehr bald wieder gesund. Ich verließ Greifswald, wo ich kein volles Jahr gewesen, im Herbst 1801, hielt mich noch etliche Wochen zu Hause auf, um von da nach Dresden zu gehn.“

Nach einem Jahr Studium an der Kunstakademie in Dresden ging er mit Erlaubnis seines Va­ters an die Akademie in Wien, wo er 3 1/2 Jahre lebte. Dort konnte er bereits durch das Kopie­ren von Gemälden für den schwedischen Gesandten „einen nicht unbedeutenden Lohn“ erzie­len, schreibt er in seinen Erinnerungen, „welches meinem Vater, von dessen Güte ich bisher ausschließlich gelebt, sehr zu Statten kam.“

Für ein Jahr sagte ihm sein Vater auch noch Studien in Italien zu. Daraus wurden jedoch 14 Jahre Aufenthalt in Italien. In Florenz, seiner ersten Reisestation, besuchte er den bekannten Maler Jakob Phillip Hackert. Dieser ermunterte ihn, erst einmal in Florenz zu bleiben. Hackert, der in Prenzlau geboren war und in seiner Jugend drei Jahre in Pommern und Rügen gelebt hatte, freute sich, den jungen Mann aus dieser Gegend bei sich zu sehen. Titel bezog zwei Räume in Hackerts Haus; durch seinen Gönner lernte er viele einflussreiche Persönlichkeiten kennen. Diese Bekanntschaften ermöglichten ihm auch mehrere Besuche wie auch längere Aufenthalte in Rom. „So hatte ich denn“, schreibt er, „wiederum viereinhalb glückliche, über­glückliche Jahre in Rom verlebt, und hoffte, dort mein Leben beschließen zu können; – da er­wachte bei meinen lieben Eltern, die indes alt geworden, die Sehnsucht, ihren einzigen Sohn wiederzusehen. Dem konnte ich aus kindlicher Pflicht und Liebe nicht widerstehn, so schwer es mir auch wurde, mich von Rom zu trennen.

Ich reiste also in der Mitte Oktober 1819 von dort … und langte gegen Weihnachten in meiner Heimat an.

Das Wiedersehn meiner alten Mutter (mein Vater war kürzlich gestorben) war für mich unend­lich rührend; es war eine überaus brave Frau; auch mehrere meiner Verwandten und Freunde traf ich noch am Leben; aber bald fühlte ich mich in der eigenen Heimat nicht heimatlich; – der Wechsel war allzu groß. Einen vieljährigen Aufenthalt in einem so gesegneten Lande, dem Wohnsitz der Kunst und alles Schönen, worin ich gewissermaßen schon eingebürgert war, mit Pommern vertauschen zu müssen, war etwas schweres für mich; …

Mein erstes Auftreten in dieser Provinz machte einiges Aufsehn, denn es war damals wohl eine Seltenheit, dass ein Künstler aus so weiter Ferne kommend, sich hier fixierte. Es fehlte mir nicht an Arbeit, indem ich in den umliegenden Städten und besonders beim Landadel hinlänglich zu portraittiren hatte und ein leidliches Geld verdiente. Dies währte aber etwa nur 1 1/2 Jahre, da der Reiz der Neuheit beim Publikum nach und nach abnahm.“

Titel lebte zunächst in Stralsund, wo er 1821 auch seine erste Frau Anna Caroline Mönnich heiratete, die er aber schon nach kurzer Zeit durch den Tod verlor. Aus dieser Ehe hatte er eine Tochter, Julia Dorothea Marianne, geb. 1822, die unverheiratet starb.

In zweiter Ehe heiratete Titel Anna Maria verwitwete Grönlund. Anna Maria war die Tochter des Stralsunder Reeders und Kaufmanns Carl Johann Hecht. Aus dieser Ehe ist eine ‚Tochter Anna Caroline Wilhelmine hervorgegangen, die mit dem Gutspächter Carl Möller in Dargelin verheiratet war.

1826 genehmigte der für die Universitäten zuständige Preußische Minister auf Antrag der Greifswalder Universität, dass der Zeichenlehrer Quistorp in den Ruhestand versetzt und an seiner Stelle Titel als Zeichenlehrer der Universität angestellt werde. Titel bekam 1831 den Auftrag, gegen besondere Bezahlung aus der Universitätskasse jährlich zwei Professoren der Universität zu portraitieren. Bis 1850 malte Titel mit Unterbrechungen – zwischenzeitlich wa­ren alle Professoren der Universität gemalt – 32 Professorenbildnisse. Sie hängen heute

im Sitzungssaal der Greifswalder Universität.

Von Titel sind bekannt Bildnisse von ihm selbst, von seinen Eltern, seiner Schwester Auguste, von seinem Schwager Karl Georg Klatt, Pfarrer in Boltenhagen, seiner zweiten Ehefrau Anna Maria geb. Hecht, sowie von seinen Töchtern Marianne und Caroline; er hat auch die Ölbilder „Boltenhagen bei Mondschein“ und „Pfarrhaus Boltenhagen“ hinterlassen. Die Kirchengemeinde Neu Boltenhagen besitzt das von ihm gemalte Ölbild „Christi Haupt mit der Dornenkrone“. Mehrere seiner Bilder sind im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald ausgestellt.

In Greifswald wohnte Titel zuletzt in der Joh. Sebastian Bachstraße 26. An dem Haus ist eine Gedenkta­fel angebracht. Er starb nach langer Krankheit am 24. März 1862. Sein Grab auf dem Alten Friedhof ist erhalten

August Becker (1848-1895)

August Becker hat durch die Einführung intensiver landwirtschaftlicher Wirtschaftsweise in Vorpommern beispielhaft gewirkt. Er war Besitzer des Gutes Boltenhagen.

August Becker wurde am 23. Februar 1848 in Wegeleben bei Halberstadt als zweites Kind und ältester Sohn des Hofbesitzers August Ludwig Christian Becker (1807-1854) und seiner Ehe­frau Charlotte, geb. Rieche (1825-1911), geboren. Wegen des frühen Todes des Vaters musste er die selbständige Leitung eines landwirt­schaftli­chen Betriebes schon in jungem Alter lernen.

Die Verhältnisse in Wegeleben, die eine Erweiterung des Grundbesitzes nicht erlaubten, wur­den Becker bald zu eng. Auf den Hinweis seines in Pommern lebenden Schwagers Garcke be­warb er sich 1877 um die Pachtung der der Greifswalder Universität gehörenden Güter Eldena und Koiten­hagen.

Auf dem Gut Eldena hatte der Preußische Staat 1835 eine landwirtschaft­liche Hoch­schule eingerichtet. In den siebziger Jahren nahm die Zahl der Studierenden aber stark ab. Die Hochschule wurde geschlossen und das Gut zur Verpachtung ausgeschrieben. Becker bekam den Zuschlag für Eldena und Koitenhagen für Juni (Johanni) 1877.

Mit Vieh, Ackerwagen und Maschinen machte sich Becker im Mai 1877 auf den Treck von Wegeleben nach Eldena. Im Kutschwagen fuhren seine Mutter, seine Frau und die noch nicht ein Jahr alte Tochter. Mit ihm zogen auch Ar­bei­ter des Wegelebener Betriebes. Aus der mit nach Eldena gekommenen Familie Wehrstedt stammt der Eldenaer Franz Wehrstedt, der 1933 von einem SA-Mann ermordet wurde. Nach ihm ist eine Straße in Eldena benannt.

August Becker, in seiner Heimat, der Magdeburger Börde, an intensivste Wirtschaftsweise gewöhnt, fand in Vorpommern eine höchst extensive Landbewirtschaftung vor. Der Acker lag meistens in sieben Schlägen, von denen nur vier mit Ackerfrüchten bestellt waren; die übrigen wurden als Kleeschlag oder Weide genutzt. Mineraldünger, Drilltechnik und Hackkultur, Tief­pflügen und Hackfruchtbau waren unbekannt. Das Inventar war primitiv. Es bestand in der Hauptsache aus hölzernen Pflügen und hölzernen Eggen. Maschinen waren fast ganz unbe­kannt.

Den ersten Sommer wirtschaftete Becker noch nach der alten vorgefundenen Weise. So lernte er Land und Leute, Boden und Klima kennen. Doch bald ging er daran, auch hier die intensive heimatliche Wirtschaftsweise, den vorpommerschen Verhältnissen angepasst, einzuführen. Er nahm den Zuckerrüben- und Zichorienanbau auf und damit notwendigerweise die Drilltech­nik, die Hackkultur, die Anwendung von mineralischem Dünger in großem Maßstab, das Tief­pflü­gen mit Dampfmaschinen und überhaupt die Anwendung von Maschinen da, wo es angän­gig war.

1878 pachtete Becker von der Universität zusätzlich das Gut Ladebow und 1881 das Gut Neu­endorf. Zu Eigentum erwarb er 1883 das Rittergut Rappenhagen und 1889 das Rittergut in Boltenhagen (damals und bis 1950 „Boltenhagen Adlig“ genannt im Gegensatz zu dem west­lich von Greifswald gelegenen der Universität gehörenden „Boltenhagen Akademisch“). Der einheitlich von Eldena aus geleitete Betrieb umfaßte nunmehr rd. 3000 ha. Boltenhagen, Rap­penhagen und Neuendorf waren mit Eldena durch die Kleinbahn Greifswald-Wolgast verbun­den, auf der der Güterverkehr des Betriebes abgewickelt wurde. Ladebow band Becker an El­dena durch eine Feldbahn an, die auf einer Fähre über den Ryck geführt wurde. Alle Betriebe verknüpfte er durch eine eigene Telefonanlage untereinander.

Die Brauerei auf dem Gut in Eldena hatte Becker sofort nach der Pachtübernahme erheblich vergrößert. Zur Verwertung der Rüben- und Zichorienwurzeln baute er 1878 in Eldena eine Rüben- und Zichoriendarre und 1885 eine große Kartoffelbrennerei. In Boltenhagen wurde ei­ne Bockwindmühle, dort und in Eldena auch eine Dampfmolkerei unterhalten. Becker beab­sichtigte, in Eldena auch eine Zuckerfabrik anzulegen. Das Projekt zerschlug sich aber mangels ausreichenden Wassers, und als es ihm auch nicht gelang, seinen Plan in Greifswald durchzusetzen, gründete er 1891 zusam­men mit ande­ren Interessenten die Zuckerfabrik Stralsund GmbH, an deren Kapital er sich zu einem Viertel beteiligte.

Von den zwei Milchviehherden des Betriebs stand die größere mit 150 Kühen in Boltenhagen.

Beckers Kollegen hatten anfänglich dessen neue Wirtschaftsweise sehr skeptisch betrachtet. Ihm wurde ein Scheitern vorhergesagt. Becker ließ sich durch Anzweiflungen und An­feindun­gen aber nicht von dem einmal als richtig erkannten Weg abbringen und der Erfolg sei­ner Wirt­schaftsweise gab ihm recht. Diese Wirtschaftsweise fand deshalb auch sehr bald viele Nachah­mer. Landwirtschaftliche Vereine aus der Umgebung und von weit her kamen auf sei­nen Be­trieb, um das hier Gesehene zu Hause in der eigenen Wirtschaft zu verwerten. So nahmen die größeren Betriebe in Vorpommern, da wo es möglich war, den Zuckerrübenanbau auf und es entstanden im Laufe von 20 Jahren in der näheren und weiteren Umgebung eine große Zahl von Zuckerfabriken.

Seine großen Verdienste um die Landwirtschaft im nördlichen Vorpommern anerkennend, be­riefen ihn 1884 der Verein für landwirtschaftliche Interessen in Anklam und 1885 der Verein bäuerlicher und kleiner Wirte in Greifswald zum Ehrenmitglied. Die Preußische Regierung ver­lieh ihm 1884 den Titel eines Oberamtmanns, 1889 den des Amtsrats.

Becker war eine auch nach außen hin imponierende Persönlichkeit, dabei von gewinnendem, freundlichen Wesen. In der Gemeinde und im Kreis hatte er viele Ehrenämter wahrzunehmen. Seine soziale Gesinnung bezeugte er durch den Bau des – heute noch bestehenden und so be­zeichneten – „Witwenheim“ für hilfsbedürftige Witwen und Eheleute in Eldena im Jahre 1891, das er 1893 mit dem nötigen Kapital der – damals selb­ständigen – Gemeinde Eldena schenkte. In Koitenha­gen und Eldena, in Rappenhagen und Boltenhagen baute er Wohnungen für die auf den Betrieben Beschäftigten.

Als Inhaber des Rittergutes Boltenhagen war Becker Patron der dortigen Kirche.

Am 3. Juli 1873 hatte sich August Becker mit Hedwig Rusche, geb. 3. September 1851, aus dem von Wegeleben nicht weit entfernten Etgersleben verheiratet. Von ihren fünf Kindern wurde Else in Wegeleben geboren (18. September 1876), in Eldena Charlotte (1878, früh ver­storben), Konrad (13. Januar 1880), Hans (18. August 1881) und Gertud (4. Februar 1886).

Ein plötzlicher Tod setzte der seltenen Arbeitskraft und Schaffensfreudigkeit Beckers ein frü­hes Ende. Er stürzte im Stall in Neuendorf und brach sich ein Bein. Auf dem Krankenbett zog er sich eine Lungenentzündung zu und starb – noch nicht 47 Jahre alt – am 30. Januar 1895. Er wurde auf dem Friedhof in Eldena be­graben.

Seine Witwe übernahm nun den Betrieb und führte ihn, unterstützt von einem Administrator und – bei weitreichenden Entscheidungen – von einem Verwandten in der alten Heimat, bis zu ihrem Tode am 16. Oktober 1901. Danach leitete der älteste Sohn Konrad das Unternehmen, nach dem Tode seines Bruders Hans im Jahre 1903 auch als Alleininhaber.

Georg Blohm (1896-1982)

Georg Blohm war ein bedeutender Hochschullehrer für landwirtschaftliche Betriebslehre. Er war Besitzer eines landwirtschaftlichen Betriebes in Spiegelsdorf.

Georg Blohm wurde am 25. Oktober 1896 in Thürkow bei Teterow in Mecklenburg als Sohn des Gutsbesitzers Wilhelm Blohm und seiner Ehefrau Helene, geb. Voss, geboren. Er ging in Teterow und in Lübeck zur Schule. Im April 1917 wurde er als Kriegsfreiwilliger bei Arras in Nordfrankreich schwer verwundet. Den Plan, Ingenieur zu werden, mußte er aufge­ben. Er wurde Landwirt. Er studierte Landwirtschaft an der Universität in Halle. Am 19. De­zember 1923 wurde er promoviert, danach arbeitete er als Assistent des Boden- und Acker­baukundlers Prof. Th. Roemer; gleichzeitig war er Leiter der Bibliothek der landwirtschaftli­chen Institute der Universität. Am 28. Juli 1926 wurde er mit einer bodenkundlichen Arbeit bei Roemer habilitiert.

1930 wurde Blohm zum Leiter der neu gegründeten betriebswirtschaftlichen Abteilung der pom­merschen Landwirtschaftskammer in Stettin berufen. Er übernahm dieses Amt in einer für die ostdeutsche Landwirtschaft besonders schwierigen Zeit. Viele Betriebe konnten sich nach der Weltwirtschaftskrise nur dank besonderer staatlicher Hilfsmaßnahmen („Osthilfe“) halten. Blohm setzte sich mit dafür ein, durch eine Organisation der Selbsthilfe die gefährdeten Betriebe zu beraten. Im Herbst 1931 wurde unter seiner wesentlichen Anteilnahme die Landberatung Pommern GmbH gegründet und am 1. Januar 1934 wurde er selbst Geschäftsführer. Blohm lernte in dieser Tätigkeit Sinn und Aufgabe der praktischen Betriebswirtschaft gründlich ken­nen und erhielt nicht zuletzt hierdurch die Anregung, sich in seiner wissenachaftlichen Tätigkeit vorwiegend der angewandten Betriebslehre zuzuwenden. Am 16. Mai 1934 habilitierte er sich an der Universität Berlin für das Fach landwirtschaftli­che Betriebslehre um.

Zum 1. Mai 1936 wurde Blohm ordentlicher Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Techni­schen Hochschule der damaligen Freien Stadt Danzig und 1941 an der Universität Posen.

Inzwischen hatte Blohm am 19. Juli 1939 von der Witwe Stiegler und deren Söhnen deren 80 ha großen Hof in Spiegelsdorf gekauft. Zu Kiegsende 1945 führte Blohm wie die deutschen Landwirte des Ostens seinen Treck nach Westen bis nach Spiegelsdorf. Den Hof bewirtschafte­te er nunmehr selber.

Blohm war zunächst auch als Direktor der Güter der Greifswalder Universität tätig. Bald nach der Wiedereröffnung der Universität Greifswald im Februar 1946 berief der Rektor Prof. Dr. Lohmeyer Blohm zum 15. Juni 1946 als ordentlichen Professor für landwirtschaftli­che Be­triebs- und Arbeitslehre und beauftragte ihn gleichzeitig, eine landwirtschaftliche Fakul­tät auf­zubauen, die es dort bis dahin nicht gegeben hatte. Nach kurzer Zeit nahm die landwirt­schaft­liche Fakultät die Lehrtätigkeit auf und konnte eine beachtliche Hörerzahl verzeichnen. Blohm war ihr Dekan. Ihm war es vor allem zu verdanken, dass aus dem früheren Grundbesitz der Universität sechs besonders günstig in der nächsten Umgebung von Greifswald gelegene Höfe zu Versuchsgütern bestimmt und für diesen Zweck planmäßig hergerichtet wurden. Damit wurde eines der wichtigsten Fundamente der neuen Fakultät geschaffen, denn die Güter erwie­sen sich als ausgezeichnete Arbeitsgrundlage, die verschiedene Landwirtschaftswissenschaftler nach Greifswald zu kommen bewog, die mit ihren Assistenten und einer Schar begeisterter Studenten eine Fakultät bildeten, in der Lehre und Forschung gleichermaßen gediehen und die sich durch ihre harmonische Geschlossenheit besonders auszeichnete. Von Greifswald aus gab Blohm 1948 die erste Auflage seiner Angewandten landwirtschaftlichen Betriebslehre heraus, die später – in weiteren Auflagen und mehrfach übersetzt – eine Standardwerk für die Landwirt­schaftsstudenten an vielen europäischen Hochschulen wurde.

Für kurze Zeit übte er auch das Amt des Kreislandwirts aus.

Am 1. Mai 1949 folgte Blohm einem Ruf der Universität seines Studienorts Halle. Der Hof in Spiegelsdorf wurde in die Bewirtschaftung der Güter der Greifswalder Universität unter der Leitung des Güterdirektors Werner Gerlach einbezogen.

Knapp drei Jahre später, am 1. Februar 1952, erhielt Blohm einen Ruf der Universität Kiel. Er nahm den Ruf an und setzte gegenüber den Behörden in Halle durch, dass er Arbeitsplatz und Wohnort mit offizieller Genehmigung wechseln konnte. Mit ihm gingen viele Studenten – ein annähernd halber Seme­ster­jahrgang.

Die Entwicklung der Landwirtschaft in der DDR beobachtete Blohm auch von Kiel aus und berichtete weiter darüber.

In Kiel war Blohm als erster Angehöriger der landwirtschaftlichen Fakultät 1955/56 Rektor der Uni­versität. Im Dezember 1960 verlieh ihm die Technische Hochschule München die Würde eines Ehrendoktors.

Blohm hatte am 9. März 1922 Lilly Michael geheiratet. Aus der Ehe gingen drei Töchter Marlene, Ursula und Renate hervor. Er starb am 9. Mai 1982 in Kiel und fand seine letzte Ru­he auf dem Friedhof am Eichhof nahe der Eckernförder Allee. Ein unbehauener Granitstein er­innert an ihn.

Quellen
Wakenitz

Arndt, Ernst Moritz: Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen, Berlin 1803

Both, Wolf von, und Hans Vogel: Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, München 1973

Poten, B.: Wakenitz . In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 40, Berlin 1896, S. 635-638

Titel

Rohde, Ursula: Wilhelm Titel. Studie über einen pommerschen Maler aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Hamburger mittel- und ostdeutsche Forschungen, Bd. 4, Hamburg 1963, S. 94-156

Schmitt, Otto, und Schultze, Victor (Herausgeber): Wilhelm Titels Bildnisse Greifswalder Pro­fessoren, Greifswald 1931

Vogt, O. (Herausgeber): Lebenserinnerungen des Malers Wilhelm Titel. In: Pommersche Jahr­bücher, Bd. 3, Greifswald 1902, S. 161-176

Becker

A. Becker, Eldena in Pommern. In: Historisch-biographische Blätter. Industrie, Handel und Gewerbe, Bd. 10, Die Provinz Pommern, Berlin 1913

Greifswalder Tageblatt, 85. Jahrg., vom 1. Februar 1895

Schulz, Hugo: Aus vergangenen Tagen. Erinnerungen eines Greifswalder Zeitgenossen, 2. Auflg., Greifswald 1919

Blohm

Beiträge zur lanwirtschaftlichen Betriebslehre. Festgabe zum 65. Geburtstag von Professor Dr. Dr. h. c. Georg Blohm, herausgegeben von Bernd Andreae u. a., Stuttgart 1961

Janert, Heinz, Die Pflege der Landwirtschaftswissenschaft an der Universität Greifswald. In: Festschrift zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald 17. 10. 1956, Greifswald 1956, S. 571-576

Jungehülsing, Hans: Georg Blohm verstorben. In: Agrarwirtschaft 1982, S. 192

Langbehn, Cay, und Hill, Dietrich: Professor Blohm 80 Jahre, In: Bauernblatt/Landpost vom 16. Oktober 1976

Klaus Garcke
Schloßstr. 45
53115 Bonn