Wer achtzig wird, ist selber schuld.

Das folgende Gedicht aus dem Nachlass von Sigrun Becker, der Mutter von Hanna Garcke, geb. Becker. Sigruns Freundin Lina aus dem Mädchenpensionat in Heidelberg-Wieblingen widmete Sigrun  das Gedicht zu ihrem 80. Geburtstag 1998.

Das Gedicht spricht an die Alten. Diese sind unter den Leser*innen dieser Internet-Seite stark vertreten mit den Söhnen von Werner und Gertrud Garcke und auch mit anderen:

Wer achtzig wird, ist selber schuld.

Man braucht dazu sehr viel Geduld,

auch guten – oder bösen – Willen,

sowie unzählig viele Pillen, 

und auch Vertrauen himmelwärts, 

und schließlich auch ein gutes Herz.

Was sich so mit dem Alter paart,

sind Mängel sehr verschiedner Art,

die uns die Laune oft verderben,

an denen wir jedoch nicht sterben.

Der Grundsatz: Besser sein als scheinen,

ist gar kein Trost bei steifen Beinen.

Der Rücken schmerzt, das Knie ist steif,

so wird man weiter abbruchreif.

So mancher sieht auch nicht mehr klar.

Er hat – ob grün, ob grau – den Star.

Er meint nur, dass das nicht so störe,

als wenn er, wie sein Freund, schlecht höre.

Und dann – zum Teile oder ganz,

schrumft auch noch die Gehirnsubstanz.

Was man zunächst dadurch empfindet,

dass häufig das Gedächtnis schwindet.

Weshalb man alles fein notiert,

auf Zettel, die man prompt verliert.

Man sucht – das ist doch nicht zum Lachen, 

nach Namen, Worten und nach Sachen.

Die allerwichtigsten Adressen

hat man schon wieder mal vergessen.

Wo ist der Ring? Man rauft die Haare.

Vielleicht gestohlen. Oh, bewahre!

Der findet sich schon bald danach;

er lag nur halt im falschen Fach.

Die Schlüssel? Oh, wer kann dafür?

Die steckten draußen, an der Tür,

vermutlich schon die ganze Nacht.

Macht nichts. Das Haus ist ja bewacht.

Man trägt geduldig alle Lasten.

Und haut man doch mal auf den Kasten,

so merkt man bald: Das ist nicht gut.

So bleibt man sanft und dämpft die Wut.

Man wird halt dümmer, krummer, stummer.

Was ist dagegen schon zu tun.

Und leider wird man gegen Kummer – niemals immun.

Man muss sich täglich neu bewähren.

Wo soll man sich denn noch beschweren.

Man resigniert und übt Geduld.

Wer achtzig wird, ist selber schuld.