Der Dichter Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772 Oberwiederstedt – 1801 Weißenfels) auf geologischer Erkundung in der Gegend von Zeitz

„Ich habe mit Fleiss angestanden, Ihnen, teuerster Lehrer, eher zu schreiben, als wir im Stande waren, den aufgegebenen Distrikt größtenteils zu übersehn und zu beurtheilen. Wetter und Weg waren uns bisher ziemlich günstig und wir haben überall die freundlichste Aufnahme gefunden. Weniger höflich hat sich das Stück Erdrinde gezeigt, was wir beobachtet haben. Wir wanderten von Zeitz über Haynsburg durch den Forst nach Silbitz, von da an der Elster hinunter nach Köstritz.“ So beginnt Novalis einen am 10. 6.1810 in Zeitz geschriebenen Brief an den Professor an der Bergakademie Freiberg in Sachsen, Abraham Gottlob Werner. Es ist ein Zwischenbericht über eine geologische Erkundung, die Novalis zwischen Elster und Pleiße durchführte. Novalis, 1772 bei Mansfeld geboren, Assessor bei der „Local-Salinendirektion“ in Weißenfels, war von Werner für diese Aufgabe ausgesucht worden. Er führte sie von 1. bis 16.6.1800, zusammen mit dem Studenten der Bergakademie Friedrich Traugott Michael Haupt, aus.

Novalis` Erkundung war Teil einer allgemeinen Aufnahme des Kurfürstentums Sachsen, die die Regierung in Dresden betrieb, um neue Bodenschätze, vor allem Braunkohle, zu erschließen. Professor Werner war der wissenschaftliche Leiter der Unternehmung. Novalis hatte von 1797 bis 1799 bei ihm in Freiberg Bergwissenschaften studiert.

In dem Brief vom 10.6.1800 heißt es weiter: „Bey Zeitz bis in die Gegend von Gleina, wo wir den ersten Feiertag Nachmittags waren, fanden wir nichts als buntes Sandsteingebürge, was mit mehr oder weniger Kalk gemischt ist… Roggenstein fanden wir bey Haynsburg und bey Silbitz sowie an der Elster, Köstritz gegenüber… Bei Köstritz entdeckten wir alten Gangbergbau… Kalk streicht am linken Ufer der Elster nach Deschütz herauf und bildet Höhlen, die wir besuchten… Haupt ging über Crossen bis in die Gegemd von Podebuls an der Elster und fand bey Kaschwitz alten Gyps, bey Crossen bunten Sandstein und dann bey Podebuls wieder Kalkstein… Ich ging auf Steinbrücken, Ruben, Langenberg, Dinz, Roschütz nach Gera und fand durchaus die Berge bis Langenberg aus bunten Sandstein bestehend, unten im Tale aber überall … Kalk… Haupt kam den andern Tag über Tieschütz nach, wo er Gyps … traf.“ Nach einer – genau geschilderten – Begehung der Umgebung von Gera und Ronneburg „giengen wir über Groß Stein, Nauendorf, Hirschfeld, Pölzig, Bröckau, Weissenborn, Roda, Kayna, Meutitzmühle, Ölsen, Brossen, Zipsendorf nach Meuselwitz. Das dortige Braunkohlenlager findet sich bey Lobas zuerst, dann bey Ölsen, und setzt sich fort bis Gröben, aber wahrscheinlich in sehr unterbrochener Lagerung längs der Schnauder. Nur bei Ölsen wird es bebaut – aber sehr gering und schlecht. Die sehr holzige, aber, wie mich dünkt, schlechte Erdkohle liegt unter weissen Sand. Um die Mächtigkeit hatten sich die Bauern noch nicht bekümmert. Wir gingen über Wuitz, Remsdorf, Rumsdorf, Teschwitz nach Zeitz zurück. Gestern haben wir die Gegend am Brihlbache bis Zetzschendorf, auch den Wald, die Zeche genannt, durchsucht, aber nichts als bunten Sandstein und nicht das Mindeste Merckwürdige weiter gefunden. Wir haben hier aus dem Amte und sonst Nachrichten eingezogen, indeß scheint außer bunten Sandstein und einigen Kalkbrüchen unterhalb Mansdorf nichts weiter von Gebürge hier herum vorzukommen. Mehrere Nachrichten über Torf und Erdkohlenlager an dem Bache, der von Lonzig, Schellbach, Ossig und Mödelstein herunterkömmt, werden wir genauer an Ort und Stelle prüfen. Auch bei Heuckewalde sollen dergleichen Lager vorkommen… Bey Dragsdorf, Klein Pörthen, Suxdorf und Geußnitz werden wir nichts als bunten Sandstein in den dasigen Steinbrüchen finden. In 8-10 Tagen können wir schon in Leipzig seyn. Das Journal wird Haupt mitbringen. Den eigentlichen Bericht werde ich dann sofort besorgen,

Freylich hätten wir gewünscht, glücklicher zu sein. Sonst sind wir gesund und munter und ich bin äußerst mit Haupten zufrieden…

Verzeihen Sie übrigens, theuerster Lehrer, diese flüchtige Übersicht unserer Reise. Einem Reisenden nehmen Sie wohl etwas Zerstreuung nicht übel. Wir empfehlen uns beyde Ihrer Freundschaft und Aufmerksamkeit und ich verharre mit der wärmsten Achtung Ihr gehorsamster Schüler und Freund Friedrich von Hardenberg.“

Den Abschlussbericht, den Novalis in dem Brief ankündigte, konnte er selbst nicht mehr fertigstellen. Er war in der Zeit unmittelbar nach Abschluss der Reise außer mit seinen dichterischen Arbeiten durch andere dienstliche Angelegenheiten in Anspruch genommen. Im Herbst 1800 schon wurde er so krank, dass er sich nicht mehr erholte. Er starb am 25.5.1801.

Haupt erstellte den Abschlussbericht 1802. Das Tagebuch, das Haupt während der Reise gefertigt hatte, soll später zu den Akten der Freiberger Bergakademie gelangt sein, Seine Spur ist aber verloren.

Sachsen musste 1815, nach den Napoleonischen Kriegen, den westlichen Teil des Landes an Preußen abtreten. Es verlor damit die Verantwortlichkeit für den größeren Teil des von Novalis untersuchten Gebietes. Mangels Veröffentichung konnten Novalis` gewissenhafte und genaue Ermittlungen somit nicht beitragen zu dem späteren Aufschwung der Braunkohlegewinnung im der Gegend von Zeitz.

Novalis` Brief vom 10.6.1800 an A. G. Werner ist abgedruckt bei Novalis, Schriften, Band 3, Das Philosophische Werk, 3. Auflg., Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 1983, herausgegeben von Richard Samuel, in Zusammenarbeit mit Hans Joachim Mahl und Gerhard Schulz, S. 794-798.

Am 25.5.1800 hatte A. G. Werner dem Salinen-Assessor von Hardenberg für die geplante geognostische Untersuchung der Gegend von Zeitz, Pegau und Zwenkau bis Leipzig, zusammen mit Haupt, „einige Anhaltspunkte“ gesandt (abgedruckt wie oben S. 804, 805).

Der Mitherausgeber Gerhard Schulz veröffentlichte „Die Berufslaufbahn Friedrich von Hardenbergs (Novalis)“ in Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 7 (1963), S. 253-312.

Klaus Garcke

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