Johann Christian Schubart, Würchwitz, später, im Dezember 1784, geadelt „Edler von Kleefeld“, äußerte sich kritisch zu einem Reglement der Kammer des Herzogtums Sachsen-Weimar „wie es hinfüro bei der Aussähung des Luzerne, Spanischen und anderen Klees, ingleichen der Esparsette, in hiesigen Landen gehalten werden soll“ (Ökonomisch-kameralistischen Schriften, Teil 3, Vierter Brief, Würchwitz, den 16.3.1784 (hier 3. Auflg., Leipzig 1786, S. 98-136), mit Abdruck des Regelements; das Reglement auch abgedruckt bei Schmidt, Johannes, Aeltere und neuerer Gesetze, Ordnungen und Cirkular-Befehle für das Fürstentum Weimar und für die Jenaische Landes-Portion bis zum Ende des Jahres 1799, Jena 1800, Bd. 4, S. 209 ff).
In der ursprünglichen Fassung sagte Schubart, er wisse nicht, welche Kammer welchen Landes das Reglement erlassen habe; in der dritten Auflage, S. 135, schrieb er, er habe die Kammer aus der Presse erfahren.
In seiner offenen, deutlichen Art äußerte sich Schubart mit geradezu sarkastischer Kritik zu dem Reglement und zu seinen Verfassern:
„Wer sollte glauben, dass eine deutsche Kammer eine Schrift ausfertigen könne, welche allen vernünftigen Grundsätzen der Landwirtschaft und dem Wohl aller Untertanen so gerade entgegen, so äusserst nachteilig ist?“ (S. 99). Sie „bindet, beschränkt und beschneidet … den Futterbau dergestalt, dass derjenige, der ihn bei solchen Umständen betreiben wollte, unsinnig sein müsste“. (S. 101). „So lange der Verbesserung der Landwirtschaft die Trift und Hutung auf anderer Menschen Eigentum wider ihren Willen entgegen gestemmt wird, so lange kann aus der Futterkräuter-Kultur gar nichts werden“. (S. 105). „Trift auf anderer Leute Eigentum, und zumal auf Fruchtfeldern, muss ganz aufhören, wenn ein Land die Möglichkeit seines hohen Ertrags wissen und genießen will“. (S. 106). „Die deutsche Kammer nimmt also den despotischen Grundsatz ganz an, dass kein Eigentumsrecht gelten soll“. (S. 109). „Ach, lieber Gott! So was kann eine Kammer sagen? Das ist wahrlich erbärmlich!“ (S. 117). „So durchbohrt eine solche menschenfeindliche Gesinnung, woraus man auf das Übrige schließen kann, gewiss die Seelen aller rechtschaffenen Leute, die des Gefühls von Menschenrechten fähig sind, und es ist ein wahres Wunder, wenn solche, so grausam behandelten Untertanen nicht insgesamt auswandern und sich in Ländern niederlassen, wo Menschen noch Menschrenrechte genießen, und vor dergleichen gesetzlichen Beraubungen sicher sind“. (S. 118). „So weit wär‘s also in Deutschland gekommen, dass der Landwirt seine eigentümlichen Felder nicht nur nicht besäen dürfte, mit was er wolle? Sondern es soll ihm auch nicht mehr vergönnt sein, ohne vorherige Anzeige bei dem Rechnungsbeamten seine besäten Felder wieder umzureißen, wenn er es für gut und nötig findet? Hier schaudert der Patriot zurück und eine Träne benetzt seine Wange. Größer und ärger lässt sich der Despotismus und Umsturz aller Gewerbetreibung nicht denken.“ (S. 125). „Wär er [der Verfasser des Reglements] der Sache gewachsen gewesen, so würde er sein erstes Augenmerk auf die freie Benutzung des Eigentums eines jeden Staatsbürgers gerichtet, und diejenigen, vor Augen liegenden Maßregeln eingeschlagen haben, wodurch … die ganze Landwirtschaft gründlich verbessert, und die aus derselben allein herfließende Wohlfahrt eines ganzen Staates fest gegründet und sicher erreicht worden sein würde“. (S. 132, 133).
Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) war seit 1782 Präsident der Kammer des Herzogtums Sachsen-Weimar, das heißt Finanzminister, also verantwortlich für das obige Reglement. Goethe war ein Freund des regierenden Herzogs von Sachsen-Weimar, Karl August
(1758-1828; bis 1775 unter der Vormundschaft seiner Mutter Anna Amalie). Am 26.11.1784 schrieb Goethe an den Herzog: „Schubarts Ausfall gegen unser Reglement habe ich gelesen, und wusste schon vorher, dass es nichts tauge. Es ist aber nicht eigentlich der Fehler, dass man ein schlechtes Reglement gemacht hat, sondern dass man eins gemacht hat unter solchen Umständen. Der ganze Grundsatz desselben ist: ihr sollt zween Herren dienen. Und das ist auch der Text zu Schubarts Tadel. Man muss Hindernisse wegnehmen, Begriffe aufklären, Beispiele geben, alle Teilhaber zu interessiern suchen. Das ist freilich beschwerlicher als befehlen, indessen die einzige Art in einer so wichtigen Sache zum Zwecke zu gelangen, und nicht verändern sollen, sondern verändern.“
Goethe lehnte hiernach Schubarts Kritik zwar ab, hielt Schubarts Gedanken aber für richtig.
(Carl August : Darstellungen und Briefe zur Geschichte des Weimarischen Fürstenhauses und Landes / im Auftr. … zur Hundertjahrfeier des Großherzogtums, hrsg. von Erich Marcks; Abt. 4, Briefwechsel des Herzogs-Großherzogs Carl August mit Goethe, hrsg. von Hans Wahl, Bd. 1, 1775-1806, Berlin 1915; S. 48, Brief Nr. 36: Goethe 26.11.1784)
Dieser Beitrag erstellt auf die freundliche Anregung von Herrn Dr. med. habil. H.-J. Verlohren, 04420 Markranstädt, Nachkomme von Johann Christian Schubart, Edler von Kleefeld.